Das West-Nil-Virus (WNV)
Das West-Nil-Virus gehört zu den Flaviviren. Der Name leitet sich vom lateinischen „flavus“ ab, was “gelb” bedeutet, und ist in Anlehnung an das ebenfalls zu den Flaviviren gehörende Gelbfiebervirus geprägt worden. Auch das Dengue-Fieber, die Japanische Enzephalitis, die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) oder das Zika-Virus gehören zum Beispiel zu dieser Gattung von Erregern.
Entdeckt wurde das West-Nil-Virus 1937 im gleichnamigen Distrikt in Uganda. In den darauffolgenden Jahrzehnten trat es in Israel, Ägypten und schließlich auch in Frankreich auf. Seither hat es sich auf allen fünf Kontinenten ausgebreitet und zählt heute zu den weltweit verbreitetsten Flaviviren.
Der Übertragungszyklus des West-Nil-Virus
Das Virus findet sich normalerweise bei Vögeln und wird von Stechmücken übertragen. Wenn ein erkrankter Vogel von einer Mücke gestochen wird, so kann diese das Virus auf einen anderen Vogel übertragen, wodurch die Erkrankung dann weiterverbreitet wird. Allerdings können hier auch Nutztiere wie Hühner oder Gänse befallen werden, weshalb die Krankheit in Deutschland als Tierseuche anerkannt und bei den Veterinärämtern als anzeigepflichtig gelistet ist.
Meistens gehören die Überträgermücken der Gattung Culex an, zu der auch unsere heimische Hausmücke gehört. Aber auch Mücken aus den Gattungen Aedes, wie unsere Überschwemmungsmücken, oder Mansonia, eine nahe Verwandte der hiesigen Coquillettidia können das Virus übertragen.
In seltenen Fällen kann es aber vorkommen, dass eine virentragende Mücke (Vektor) für ihre nächste Mahlzeit ein anderes Tier statt einen Vogel anfliegt, z.B. ein Säugetier wie Pferde oder Menschen. Diese sind nicht das eigentliche Ziel des Virus, sie können aber auch an dem Virus erkranken (sie werden daher als Fehlwirte bezeichnet). Da sich der West-Nil Virus in Menschen und Pferden nicht optimal entwickeln kann, stellen diese Fehlwirte keine Infektionsquelle für Mücken dar (siehe Abbildung). Eine Übertragung von Mensch auf Mensch ist in seltenen Fällen durch Bluttransfusion, Organtransplantation, Stillen, oder durch die Übertragung von einer infizierten Schwangeren auf ihr ungeborenes Kind möglich.
Die Krankheit
Eine Infektion mit dem West-Nil-Virus stellt für die meisten Menschen kein Problem dar. Dem Robert-Koch Institut zufolge, entwickeln lediglich 20% der infizierten Menschen Symptome. Diese ähneln dann häufig denen einer Grippe und nach etwa einer Woche ist der Spuk für die meisten Betroffenen vorbei. Bei etwa einem von 150 Infizierten kann eine Infektion mit dem West-Nil-Virus aber schwerwiegende Folgen bis hin zum Tod haben. Betroffen sind davon vor allem Personen mit geschwächtem Immunsystem wie älteren Menschen oder Menschen mit einer Vorerkrankung. Erschwert wird die Situation dadurch, dass bisher keine wirksamen Heilmittel gegen das Virus entwickelt werden konnten. Ein Impfstoff gegen das West-Nil-Virus ist derzeit nur für Pferde verfügbar.
Wie ist die Situation in Europa und in Deutschland?
Seit das West-Nil-Virus 1960 erstmals in Frankreich nachgewiesen wurde, gab es zahlreiche Erkrankungen und immer wieder Todesfälle in Europa. Vor allem in Süd- und Osteuropa tritt das Virus vermehrt beim Menschen auf. Im Jahr 2018 hat sich die Situation in ganz Europa verschlechtert: Laut ECDC, dem europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, wurden alleine im Jahr 2018 in Europa mehr WNV-Fälle registriert (2083 Erkrangungen, davon 181 Todesfälle), als in den vorhergehenden sieben Jahren (1832 Erkrankungen). Im Vergleich zu 2017 wurden in Europa im Durchschnitt 7,2-mal mehr Krankheitsfälle verzeichnet.
Im September und August 2018 wurde das Virus erstmals auch in Deutschland, allerdings nur bei Vögeln und Pferden nachgewiesen. Insgesamt ist auch die Anzahl an WNV-Erkrankungen bei Pferden in Europa im Jahr 2018 (285 Fälle) im Vergleich zum Vorjahr um 30% angestiegen. Auch im Jahr 2019 wurden mehrere erkrankte Tiere (Vögel und Pferde) in Ostdeutschland gemeldet. Der erste autochthone (in Deutschland erworbene) Fall von West-Nil-Fieber beim Menschen wurde im September 2019 bei einem Mann aus Sachsen bekannt. Zwei weitere Fälle aus Ostdeutschland wurden bereits gemeldet und einige weitere Verdachstfälle werden untersucht (RKI, Epidemiologische Bulletin N 43). Im Jahr 2020 ist in Deutschland erstmals ein Mensch am West-Nil-Fieber gestorben.
Die aktuellen Zahlen zu gemeldeten WNV-Fällen bei Menschen und Pferden in Europa finden Sie auf den Seiten der ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control).
Der Klimawandel scheint eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung des Virus zu spielen. Die milden Winter und heißeren und länger andauernden Sommer begünstigen eine Ausbreitung der Mücken in viele Regionen, in denen Mücken-assoziierte Krankheiten früher nicht oder kaum vorkamen. Man muss davon ausgehen, dass sich WNV hierzulande weiter etabliert und es in den kommenden Jahren zu weiteren mückenübertragenen WNV-Fällen bei Menschen kommen wird.